Ringrichter Georg Mornhinweg: Mit Auge, Einfuehlungsvermögen, Fingerspitzengefuehl und der Erfahrung von über 6000 Kaempfen in 27 Jahren eine echte Groesse im Boxring KRZ-Foto: Volker Winkler
Max Schmelings Widmung haelt er in Ehren
Boxen: Der Hildrizhausener Georg Mornhinweg (68) steigt nach über 6000 Einsaetzen als Ring- und Punktrichter aus den Seilen.
Im kommenden Monat ertoent der letzte Gong für Georg Mornhinweg. Nach 27 Jahren mit mehr als 6000 Einsätzen als Punkt- und Ringrichter bei den Amateurboxern macht der Hildrizhausener Schluss. "Man soll aufhoeren, wenn es am schoensten ist", sagt der 68-Jaehrige.
Von Uli Meyer
HILDRIZHAUSEN. Eigentlich hatte er dieses letzte Kapitel bereits für 2010 geplant. Dann kam die Anfrage, ob er bei einem Zwoelf-Nationen-Turnier in Russland als Kampfrichter taetig sein koenne. "Als Rentner ist so was ja moeglich", machte es Georg Mornhinweg wenig Muehe, sich für 14 Tage aus der Heimat zu verabschieden. In Kurgan im Suedwesten Sibiriens vertrat der Hildrizhausener die deutschen Farben - und das richtig gut. "Ich wurde hinterher vom Technischen Delegierten als bester Ringrichter des Turniers ausgezeichnet", ist für Mornhinweg die ueberraschende Ehrung ein Stueck weit Bestaetigung gewesen, dass er seinen Job auch im fortgeschrittenen Alter noch kann. "Und weil es auch noch Spass gemacht hat, hab' ich überlegt, noch ein Jahr dranzuhaengen", begruendete Mornhinweg seinen Abschied vom Abschied. Aus dem einen Jahr sind inzwischen auch schon wieder drei geworden. Doch nun ist endgueltig Feierabend. Drei Tage vor Heiligabend steigt "Schorsch" Mornhinweg ein letztes Mal in den Ring. Für einen Freundschaftskampf, zu dem eine russische Stadtauswahl in Villingen zu Gast ist, wurde er als Ringrichter vom Verband angesetzt. "Dann reicht es aber auch wirklich."
Buch gefuehrt hat er haargenau. Seit Mornhinweg 1986 seine ersten Einsaetze als Punktrichter auf Landesverbandsebene bestritt, wurden sämtliche Aktivitaeten im Kampfrichterausweis protokolliert. Im Lauf der 27 Jahre sind endlos vielen Seiten beschrieben und mehrere Hefte gefuellt worden. Aufgrund seiner akribischen Buchfuehrung fällt ihm die Summierung nicht schwer. Bei 528 Veranstaltungen hat Mornhinweg 4213 Kaempfe als Punkt- und 1813 als Ringrichter bestritten. Dazu gehoerten auch 25 Einsätze in der Bundesliga, 16 bei deutschen Meisterschaften und 15 bei Laenderkaempfen. Mehrfach fuehrte ihn sein Hobby ins Ausland. Ehefrau Brigitte hat ihren Schorsch anfangs noch auf solchen Reisen begleitet. Aber aus ihrer anfaenglichen Sympathie für sie Szene ist eine Abneigung gegen das Boxen generell geworden. "Es tut mir fast körperlich weh, wenn ich manchen Jungen da im Ring leiden sehe", bekennt Brigitte Mornhinweg, die freilich ihrem Mann dessen Hobby nicht beschnitt. "Meine Frau hat mir die Zeit dafuer gelassen", erfuhr Georg Mornhinweg immer Verständnis dafür, dass er über Jahre hinweg fast jedes zweites Wochenende zahlreiche Stunden in irgendeiner Sporthalle verbrachte anstatt bei der Frau und den beiden Toechtern.
Boxen und Mornhinweg - das ist seit den Kriegsjahren bei der SV Boeblingen eine gaengige Verbindung. "Meine Onkels Willi und Ernst und mein Vetter Bruno waren aktive Boxer bei der SVB", war für Georg Mornhinweg der Weg in die Boeblinger Boxabteilung familiär geprägt. Als 16-Jaehriger stieß er 1961 dazu. In seinen 13 Jahren als aktiver Faustkaempfer bestritt der groß gewachsene Mann 50 Kaempfe vom Welter- bis zum Schwergewicht. "Ich war mehr der Techniker als der Schlaegertyp", beschreibt er seinen Kampfstil. Besondere sportliche Erfolge waren ihm nicht beschieden, und so schien die Zeit von Schorsch Mornhinweg im Ring 1974 ein unspektakulaeres Ende zu nehmen.
Der gebuertige Holzgerlinger hielt auch nach Ende seiner aktiven Laufbahn noch den Kontakt zum Verein und half bei der Organisation von Veranstaltungen. Aber ohne den Impuls von Alexander Mazur haette es den Ringoffiziellen Georg Mornhinweg wohl kaum gegeben. "Er hat mir das Amt nahegelegt", sagt Mornhinweg und misst dem SVB-Clubkameraden "ausschlaggebenden Einfluss" zu, sich auf dieser Schiene zu entwickeln. 1986 absolvierte er eine erste Pruefung zum Punktrichter, vier Jahre spaeter hatte Mornhinweg die nationale und sieben Jahre darauf auch die internationale Lizenz als Ringrichter. "Das ging relativ schnell und haengt auch von der Qualitaet ab", beschreibt er seinen Aufstieg zum allseits anerkannten dritten Mann im Ring. Seine Leitungsfunktion sieht vor, unsaubere Kampffuehrung zu unterbinden und die Kampfunfähigkeit eines der Kontrahenten festzustellen. "Ein gutes Auge, Einfuehlungsvermoegen, Fingerspitzengefühl und Erfahrung" machen für den Hildrizhausener einen guten Ringrichter aus.
Mornhinweg machte sich im Lauf der Zeit einen Namen in der Szene. "Vor zehn, 15 Jahren hat man mich mal gefragt, aber ich habe gleich abgesagt", erzaehlt er über ein Angebot, eine Profikarriere als Ringleiter einzuschlagen. Nicht zuletzt die Erfahrung von zwei gut bekannten Kollegen ("gluecklich geworden sind sie nicht") haben Georg Mornhinweg abgehalten. Was sicher auch damit zu tun hat, dass er sich im Amateurboxen zuhause fuehlt: "Das ist viel schoener als der Profibetrieb."
Auf große Boxernamen ist er trotzdem gestossen. "Den Sven Ottke habe ich ein paar mal als Ringrichter in der Bundesliga gehabt, bevor er Profi wurde", erzaehlt Mornhinweg über den spaeteren Mittelgewichts-Weltmeister. Bestens bekannt ist er auch mit dem Rottweiler WM-Kaempfer Luan Krasniqi. Und bei dem großen Turnier in Russland 2010 hat er mit dem einheimischen Huenen und ehemaligen WBA-Schwergewichtsweltmeister Alexander Valuev gesprochen.
Poster an der Wand wertvollerals saemtliche Ehrennadeln
"Ich war mit Herz und Seele dabei, es war ein Teil meines Lebens", sagt Mornhinweg im Rueckblick auf seine Karriere. Dass er nach dem letzten Gong in ein tiefes Loch fallen wird, glaubt er nicht. "Es wird mir zwar was fehlen, aber ich habe eine Familie mit zwei Enkeln, einen großen Garten und meine regelmaessigen Sehne-Touren", weiß sich der gelernte Technische Zeichner unter anderem mit der fruehmorgendlichen Zustellung von Backwaren zu beschaeftigen.
"Der Schorsch hat gute Arbeit geleistet", war Mornhinweg für seinen Mentor Alexander Mazur ein wuerdiger Repraesentant des SVB-Boxens. Goldene Ehrennadeln des Vereins, des Landes- und Bundesverbandes druecken diese Wuerdigung aus. Noch wertvoller ist für Georg Mornhinweg ein grosses Poster, das in seinem Buero an der Wand haengt und das er "sehr in Ehren halten" will. "Fuer Schorsch zum 60.Geburtstag", steht da in ueppigen Buchstaben neben dem Portraet des groessten deutschen Boxidols. Max Schmeling hat die Widmung handschriftlich vor acht Jahren, wenige Wochen vor seinem Tod, verfasst.